Von Lymington nach Weymouth

Endlich waren wir startklar und es konnte losgehen mit unserer Reise in Richtung Süden. Das Geld war auf dem Konto des Hafenbüros eingetroffen und sowohl OYÀ, als auch wir waren bereit, für neue Abenteuer.

 

Am letzten Abend luden wir Sophie Higgs - Sailing Yacht Broker - bei Berthon und ihren Freund, als Dank für Sophie's  zuverlässige Arbeit und herzliche Art, zum Nachtessen ein. Im letzten halben Jahr hatte Sophie viele Fotos von OYÀ gemacht und weiteres in unserem Auftrag organisiert, ansonsten wäre der Kauf und die Ausrüstung von OYÀ niemals dermassen gut von statten gegangen..

 

Da sowohl der Starthafen Lymington, wie auch der Zielhafen Weymouth jederzeit genug Wassertiefe für OYÀ mit ihren 2 m Tiefgang bot, mussten wir bei der Planung des Törns nur die Strömungen und das Wetter berücksichtigen. Bei Ebbstrom legten wir in Lymington ab, mit dem Ziel, mit dem Flutstrom in Weymouth einzulaufen.

 

Auszug aus dem Logbuch

Tide 04.05.2017

Lymington: 06:46 2.7 m HW (Hochwasser)

Weymouth: 14:41 1.39 m HW

Weymouth: 18:44 0.89 m LW (Niedrigwasser)

Ablegen in Lymington um 07:00

Anlegen in Weymouth um 15:40

Den grössten Teil konnten wir segeln. Um 10:00 machten wir, dank Strömung und Segel, 9 kn Fahrt.

Der Törn ging über 44 sm, mit maximal 30 kn Wind und wenig Wellengang.

 

Beim Setzen klemmte das Grosssegel. Nachdem wir OYÀ leicht backbord in den Wind stellten, lies sich das Segel mit Hilfe des Windes vollständig ausrollen.

Weymouth ist ein eigentlicher Darthafen (Flusshafen). Im hinteren Teil befindet sich ein neuer, riesiger Yachthafen, jedoch, falls immer möglich, wollten wir in den alten Häfen festmachen, was uns hier auch gelang.

 

Die Einfahrt in den Hafen war überwältigend schön - und was für ein Gefühl, nach dieser ersten, richtigen, freien Fahrt über das weite Meer, wohlbehalten anzukommen.

Als wir von einer Uferwanderung zurückkamen, fiel uns auf, dass OYÀ anders vertäut war. Seltsam. Der  frisch angekommene Nachbar, ein älterer, sehr freundlicher Herr, der alleine mit seiner Segelyacht unterwegs war, berichtete, dass bei seiner Ankunft unser Boot seltsam weit im Fluss gelegen habe. Am Steg war eine Klampe ausgerissen, sodass OYÀ nur noch an einer Klampe festgemacht war. Er informierte das Hafenpersonal, das danach die Klampe wieder befestigte. 

Noch am selben Tag kontrollierten sie alle weiteren Klampen und befestigten einige davon neu, dabei wiesen sie uns darauf hin, dass wir das Schiff anders befestigen müssten. Wie auf dem Bild oben gut zu sehen, hatten wir bis dahin OYÀ so befestigt, wie wir es für den Binnenseeschein gelernt hatten, nämlich so, dass sie in der Bug- und Heckleine lag. In Gezeitegewässern ist es jedoch nötig, das Gewicht in die Spring zu verlegen, damit das Boot in dieser Leine spielt. Heck- und Bugleine sind dabei entlastet.

 

Erleichtert wischten wir uns den Schweiss vom Gesicht - was hatten wir Glück gehabt - leicht hätte sich auch die zweite Klampe losreissen können, dann wäre OYÀ abgetrieben und irgendwo aufgelaufen oder kollidiert.

Das Bild links zeigt ein Boot der Royal National Lifeboat Institution (RNLI) im alten Hafen von Weymouth.

 

Weymouth hat uns ganz besonders gut gefallen. Es besticht durch seinen alten Hafen, die Einkaufsstrassen mit den vielen Kaffees und Pubs, die Strandpromenade, die ausgebauten Spazierwege und das Vogelschutz-gebiet. Es gibt dort aber noch eine weitere Besonderheit:

Es fiel uns auf, dass sehr viele Menschen dort gehbehindert waren. Sie fuhren mit Elektromobilen durch die Einkaufsstrassen, und vor manchem Hauseingang war ein solches Gefährt geparkt. Gleich beim Eingang zu den Einkaufsstrassen befand sich ein Geschäft, in dem es solche Fahrzeuge zu kaufen gab. Im Ladeninnern entdeckte Bernhard des weiteren vollautomatische Polstersessel, bei denen sich auf Knopfdruck Lehne und Fussstütze in Bewegung setzen. 

Überhaupt sahen wir in Weymouth überdurchschnittlich viele Menschen mit Beeinträchtigungen und auch sehr viele mit Übergewicht, alle wurden sie freundlich und aufmerksam behandelt, so dass ich zu Bernhard sagte, dass es hier an diesem Ort keine Rolle spielt, ob ich alle Beine, Hände oder Arme habe oder ob mir sonst irgendetwas fehlt, ich gehörte hier einfach dazu und konnte so sein, wie ich eben bin.

In diesem Kaffee bestellte ich für Bernhard einen Macchiato und erwartete einen grossen dreifarbigen Kaffe im Glas - was ich erhielt, war ein Espresso in einem winzigen Tässchen mit etwas aufgeschäumter Milch obendrauf. Meine Augen wurden gross, als ich meine Bestellung sah - allerdings blieb der Kaffee dabei dennoch klein.

 

Hier an einer Wand geschrieben stand folgender Spruch von Mark Twain:

 

"Twenty years from now you will be more disappointed by the things you didn't do than by the ones you did. So throw off the bowlines. Sail away from the safe harbour. Catch the trade winds in your sails. Explore. Dream. Discover."